Gefühlvoll singen.
Das Ziel:
Beim Singen weniger langweilig klingen, gefühlvoll singen und die Zuhörer berühren.
Das Problem:
Wenn du genug geübt hast, die Technik stimmt und Du das Lied gut kennst, kann es trotzdem vorkommen, dass Du beim Singen langweilig und leblos klingst. Die Zuhörer werden unterwegs nicht mitgenommen und berührt.
Manchmal, wenn du ein Lied oft gesungen hast, kann es sein, dass sich ein Gefühl von Routine einstellt, die Gedanken abschweifen und Du nicht konzentriert bei dem Song bist.
10 Tipps, wie Du Lieder mit Leben füllen und gefühlvoll singen kannst, Teil 1:
1.) Wo singe ich das Lied?
Stell Dir den Ort vor, an dem Du singst: auf einem Berg, über einen See oder das Meer hinweg, in einem Wald oder in einer Höhle. Du kannst Dir Orte vorstellen, an denen Du schon warst, zu denen Du eine starke Beziehung hast. Oder Orte, an denen Du gerne singen würdest: eine bestimmte Bühne, eine Kathedrale, eine Arena, ein Tempel, ein kleiner Club.
Je nach Lied wird der eine oder andere Ort besser funktionieren und Dir neue Klangräume bieten.
2.) Wer singt das Lied?
Wie würden andere das Lied singen? Suche Dir Sänger*innen mit unverwechselbarem Stil aus und stell Dir vor Du bist z. Bsp. Adele, Amy Winehouse, Nina Simone, John Legend, Joe Cocker oder Michael Bublé und singe den Song. Erstaunlich neue Klangfärbungen können entstehen. Auch Schauspieler*innen oder Comic-Figuren können interessante Nuancen bringen.
Probiere Tiere aus: singe wie ein Bär, eine Raubkatze, ein Delfin, ein Kolibri…. Das kann Deine Stimme wärmer, weicher, beweglicher, akzentuierter oder kraftvoller machen, je nach Tier und Deiner Beziehung dazu und so den Song verändern und Deine Konzentration wieder schärfen, Dich in die Präsenz bringen.
3.) Für wen singe ich das Lied?
Gefühlt sind 95% aller Songs Liebeslieder, das kann auf Dauer eventuell langweilig werden. Zur Abwechslung kannst Du Dir Freunde, Deine Kinder, Eltern oder Vorbilder als Gegenüber vorstellen und für sie singen. Man kann Tiere ansingen, Blumen, Götter, Mystiker*innen, die Musik und andere Künste. Oder die ganze Menschheit, das Universum, Ideale, soziale Fähigkeiten oder die Natur: Sing ein Liebeslied für das Meer!
Für Lieder, die ausnahmsweise keine Liebeslieder sind, gilt das gleiche: überlege Dir, für wen Du singst. Bei Wutliedern gibt es da wunderbare Möglichkeiten, alten Groll zu kanalisieren… „I Will Dance“ von Katzenjammer hab ich mit großer Begeisterung während der Corona-Lockdowns gesungen und das Virus war die perfekte „Ansprechperson“.
4.) Was erzählt der Song, worum geht es?
Als Sänger*in bist Du auch Geschichtenerzähler*in: Ist Dir die Geschichte oder das Gefühl, das beschrieben wird, klar? Gibt es einen Subtext, hat das Lied versteckte Botschaften, die Du beim Singen bisher nicht beachtet hast? Falls Du mit der Geschichte an sich nichts anfangen kannst, so etwas noch nie erlebt hast oder mit dem Text überhaupt nicht einverstanden bist, suche Dir eine alternative Story, die für Dich funktioniert. Es gibt natürlich auch wunderbare Lieder, deren Botschaft ich nie wirklich verstehen werde und die ich trotzdem sehr gerne singe, z.B. „Strawberry Fields Forever“ von den Beatles.
Gibt es Infos zum Lied, zum Ursprung des Liedes? „Black Velvet“, 1988 aufgenommen von Alannah Myles ist eine Hommage an Elvis Presley; Black Velvet war ein Haarfärbemittel, das Elvis benutzte. In „Easy On Me“ von Adele geht es um ihre Scheidung und das Lied ist wohl an ihren Sohn gerichtet.
5.) Wie singe ich das Lied?
Wie fühlt sich Dein Körper beim Singen an, unterstützt er die Aussage? Kannst Du das Lied beleben, indem Du Dich schüttelst, wiegst, tanzt wie eine indische Tänzerin oder wie Seegras im Meer? Wie ist Dein Bodenkontakt, sind die Knie entspannt, die Hände lebendig und die Atmung entspannt?
Was fühlst Du, während Du singst; kannst Du eine innere Verbindung zu Situationen in Deinem Leben, einem Film, einem Buch oder einem Bild herstellen? Was löst die Melodie oder Rhythmik in Dir aus? Hast Du die passende Energie gefunden oder wird die Ballade zum Rührstück, der Soul-Song rhythmisch zu fad?
Dies sind die ersten fünf Tipps, die Dir helfen, gefühlvoll zu singen und zu berühren. Sie können Deine Konzentration schärfen und Dich präsenter machen, während Du singst. Erst mal können die Übungen aber natürlich auch total ablenken und die Stellen, an denen man nicht ganz textfest ist, kommen schnell ans Licht. Nicht verzagen, das legt sich schnell!
Vera Joppig
05. September 2022